Startseite » Machbarkeitsstudie zu Beteiligung in der Klimapolitik veröffentlicht
Am 1. Juli 2025 wurden unsere Machbarkeitsstudie „Gemeinsam voran – Deliberative Beteiligung in der Klimapolitik“ und das begleitende Rechtsgutachten veröffentlicht und im Rahmen einer Fachveranstaltung in der Robert Bosch Stiftung mit namhaften Expert:innen wie Tanja Gönner, Prof. Dr. Dirk Messner, Reiner Hoffmann, Olaf Bandt, Jérémie Gangé und vielen anderen diskutiert. Auch wenn es zu einzelnen Vorschlägen unterschiedliche Sichtweisen gab, haben die Diskussionen gezeigt: Die Studie bearbeitet zentrale Schwachstellen der aktuellen Klimapolitik-Architektur und liefert gleichzeitig wertvolle und pragmatische Impulse, wie deliberative Beteiligung helfen kann, diese Schwachstellen zu adressieren. Ein Rückblick auf die Veröffentlichungsveranstaltung.
Über 60 Vertreter:innen aus Bundesministerien und -behörden, wissenschaftlichen Begleitgremien der Regierung, Forschungsinstituten, Stiftungen, Think Tanks und Verbänden kamen am Morgen des 1. Juli in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung zusammen, um die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie und des begleitenden Rechtsgutachtens zu hören und sich an der Debatte darüber zu beteiligen. Die Machbarkeitsstudie hatte das Autor:innen-Team von Klimamitbestimmung e.V. mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung basierend auf Workshops, Fokusgruppen und Interviews mit über 50 Expert:innen von Januar bis Mai 2025 erarbeitet.
Einführung: Von der Wichtigkeit, Klimaschutz, Demokratie und Zusammenhalt zusammenzudenken
Dr. Tabea Lissner, Leiterin des Teams Klimawandel der Robert Bosch Stiftung und ehemalige Ko-Autorin der Berichte des Weltklimarates (IPCC), betonte in Ihrer Begrüßung die Wichtigkeit und Dringlichkeit, den globalen Klimawandel aufzuhalten, und plädierte dafür, die Themen Demokratie und Klima zusammenzudenken. Diese Schnittstelle stehe im Mittelpunkt des Kooperationsprojektes mit Klimamitbestimmung, das sowohl durch die Klima- als auch die Demokratieabteilung der Stiftung begleitet wurde.
Simon Wehden, Gründer von Klimamitbestimmung e.V., schilderte in seiner Begrüßung die Motivation zur Erarbeitung der Studie: Die Studie wolle „Wege aufzeigen, im Klimaschutz aus dem ‚Gegeneinander-Modus‘ von Polarisierung, Polemik und Populismus in einen ‚Gemeinsam-Voran-Modus‘ zu kommen.“ Er führte aus, dass wissenschaftliche Studien zwar schon lange die Etablierung deliberativer Beteiligungsformate empfehlen würden, dass es aber an konkreten Vorschlägen mangele, wie genau diese ausgestaltet werden könnte. Anstoß für die Idee, diese Fragen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zu bearbeiten, habe die Begleitung des Bürgerrat Ernährung durch Klimamitbestimmung gegeben.
„Beim Bürgerrat Ernährung war die Logik der Einberufung komplett konträr zur Idee des Instruments: Statt vom (politischen) Problem auszugehen und zu überlegen, ob und wie ein Bürgerrat bei der Lösung helfen könnte, ist der Bundestag vom Instrument Bürgerrat ausgegangen und hat nach Themen dafür gesucht. In der Konsequenz war der Bürgerrat nicht verzahnt mit der Ernährungspolitik und die Themenfindung war parteipolitisch aufgeladen. Dabei sollten Empfehlungen eines Bürgerrates genau dann vorliegen, wenn (schwierige) politische Entscheidungen getroffen werden. Wir bei Klimamitbestimmung e.V. haben uns also gefragt: Wie kann man die Einbindung deliberativer Beteiligungsverfahren so gestalten, sodass sie sinnvoll mit Policyprozessen verzahnt sind und tatsächlich die wichtigen Themen besprochen werden?“ (Simon Wehden, Klimamitbestimmung e.V.)
Es folgte eine Keynote von Jérémie Gagné, Forschungsleiter des Thinktanks More in Common. Dieser plädierte dafür, in der Klimadebatte mehr Aushandlungsprozesse zu ermöglichen und verwies dafür auf die Potenziale von Deliberation. Er stellte heraus, dass die Mehrheit der Menschen hinter Klimaschutz als Ziel stehe und Klimaschutzmaßnahmen allgemein befürworte. Gleichzeitig erlebe die Mehrheit die Klimadebatte als gespalten und empfinde Verlustängste und ein „Zuversichtsdefizit“. Dadurch lasse sich die Klimadebatte leicht affektiv aufladen und polarisieren. Zudem sei die Klimadebatte von einem problematischen Menschenbild geprägt, das zu sehr davon ausgehe, Akzeptanz für die ‚richtige‘ Politik zu erzeugen. Stattdessen brauche es in der Klimadebatte mehr Wertschätzung und Verständnis für die Realität und das bestehende Engagement des Gegenübers und mehr Aushandlungsfähigkeit, die aus Ehrlichkeit und Offenheit erwachse. Deliberative Beteiligung könne Chancen auf echte Mitgestaltung und zur Entwicklung positiver Gestaltungsnarrative bieten
Ergebnispräsentation: Eine Einbindung deliberativer Beteiligung in die Klima-Governance ist machbar und gewinnbringend – unter bestimmten Bedingungen
Im Anschluss stellten Bruno Wipfler und Leonie Disselkamp, die die Studie gemeinsam mit Simon Wehden und Janosch Pfeffer von Klimamitbestimmung e.V. verfasst haben, die zentralen Ergebnisse vor. Sie betonten das Hauptanliegen der Studie, gewinnbringende, sinnvolle und machbare Vorschläge zu erarbeiten. Am Ende sei das Team deswegen teilweise bei anderen Empfehlungen gelandet, als am Anfang absehbar gewesen sei – beispielsweise die Wichtigkeit, nicht nur geloste Bürger:innen, sondern auch Interessengruppen deliberativ zu beteiligen.
Nach Erkenntnissen der Studie begünstigen politische Wettbewerbslogik, Silo-Strukturen in der Verwaltung und mediale Kampagnen einen Modus des Gegeneinanders in der Klimapolitik. Dadurch würden wichtige klimapolitische Maßnahmen verhindert. Deliberative Beteiligung von gelosten Bürger:innen und Interessengruppen schaffe geschützte Räume für verständigungsorientierten Austausch und könne die Politik unterstützen,
Konflikte um Klimafragen effektiv zu bearbeiten,
gesellschaftliche Trägerschaft für Klimaschutz herzustellen,
die Alltagstauglichkeit von Maßnahmen zu erhöhen,
unbequeme, aber wichtige Themen auf die Agenda zu setzen
und mutige Entscheidungen zu treffen.
Die Autor:innen hoben hervor:
„Deliberative Beteiligungsformate sollten als Werkzeuge im Instrumentenkasten der Politik begriffen werden, die sie flexibel, gezielt und selbstbewusst zur Problemlösung einsetzen kann – und das nicht nur in der Klimapolitik. Dabei sollten sie konkret in Policy-Prozesse und Strukturen eingebunden werden. Damit die Prozesse ihren Mehrwert entfalten, braucht es jedoch eine politische Beteiligungskultur und echte Offenheit seitens der Politik, die Ergebnisse als Hilfestellung für die eigene Arbeit zu sehen.“ (Autor:innen der Machbarkeitsstudie)
Vier Anwendungsfälle wurden in der Studie erarbeitet und auf ihre Machbarkeit überprüft:
Der Einsatz deliberativer Beteiligung in der Erarbeitung der Klimaschutzprogramme nach §9 des Klimaschutzgesetzes (KSG).
Der Ausbau der Beteiligungskomponente im Fall einer Fortschreibung des Klimaschutzplans.
Die Verzahnung deliberativer Beteiligung mit der Arbeit des Expertenrates für Klimafragen (ERK).
Die möglichst frühzeitige Einbindung deliberativer Beteiligung in reguläre Verfahren der Gesetzesentwicklung.
Leonie Disselkamp und Bruno Wipfler betonten die Wichtigkeit, Klimapolitik und entsprechende Beteiligungsprozesse als ressortübergreifende Verantwortung zu sehen. Die Studie empfehle daher die Einrichtung entsprechender Governance-Strukturen: darunter die Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle nach dem Vorbild Baden-Württembergs als Beratungs- und Unterstützungsinstanz. Diese könne beispielsweise im neu gegründeten Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung eingerichtet werden. Zuletzt gaben die Autor:innen einen Ausblick auf geeignete Themenfelder für deliberative Beteiligung: darunter insbesondere alltagsnahe Themen, beispielsweise aus dem Gebäude- und Verkehrssektor, sowie Fragen nach sozial gerechter Ausrichtung der Klimapolitik, beispielsweise der Ausgestaltung eines Klimageldes oder des Klimasozialplans.
Dr. Marc Zeccola von der Universität Stuttgart, der gemeinsam mit Prof. Dr. Daniela Winkler und Konstantin Löffler das begleitende Rechtsgutachten zur Machbarkeitsstudie erstellt hat, fasste in seinem Kurzvortrag wesentliche Erkenntnisse zur rechtlichen Machbarkeit der Vorschläge zusammen. Demnach seien die Vorschläge der Studie rechtlich überwiegend unbedenklich: Solange die Prozesse rein beratenden Charakter hätten, sei der politische Spielraum zur Einbindung deliberativer Beteiligung recht groß und der Bedarf regulatorischer Anpassungen begrenzt – der Teufel liege jedoch im Detail.
Diskussion: Einigkeit für das Ziel #Gemeinsamvoran, breite Unterstützung für den deliberativen Ansatz und Wertschätzung für die pragmatischen Vorschläge
Ein Podium aus Spitzenvertreter:innen vom BDI, BUND, Rat für Nachhaltige Entwicklung und Umweltbundesamt
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit hochrangigen Gästen, moderiert von Leonie Disselkamp, wurde große Zustimmung zum Anliegen der Studie deutlich, den ‚Gemeinsam voran‘-Modus in der Klimapolitik zu stärken und dafür die Potenziale deliberativer Beteiligung besser zu nutzen. Unterschiedliche Einschätzungen gab es zu den Fragen, wer zu beteiligen sei und wie sinnvoll diese Formate auch auf Bundes- und nicht nur auf kommunaler Ebene seien.
Prof. Dr. Dirk Messner (Präsident des Umweltbundesamtes) eröffnete das Panel mit einem Plädoyer für mehr „Klimamitbestimmung“ und „Investitionen in die Bürgergesellschaft“ als Mitgestalterin der Transformation. Es gebe einen großen Bedarf an Beteiligungsmechanismen:
„Beteiligung darf sich nicht auf die Gestaltungsprofis etablierter Verbände beschränken. Das müssen wir dringend mit Bürgerinnen und Bürgern unterfüttern.“ (Dirk Messner)
Hierfür seien deliberative Formate besonders geeignet, da sie auf das „Handeln aus guten Gründen“ abzielten und weniger auf Kompromisse auf Basis des „kleinsten gemeinsamen Nenners“. Wichtig bei der Themenwahl insbesondere für Bürgerbeteiligung seien die Reduktion des Komplexitätsgrades und die Fokussierung auf Teilaspekte. Als geeignete Themen schlug Dirk Messner die Ausgestaltung sozialer Kompensationsmechanismen bei der Einführung des ETS2 vor, „lebensweltlich orientierte Themen“in den Bereichen Mobilität, Wohnen und Ernährung sowie kontroverse Technologien wie solche zur CO2-Entnahme und Speicherung (negative Emissionen).
Reiner Hoffmann (Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung und ehemaliger Vorsitzender des DGB) unterstrich das Anliegen der Studie, den nachhaltigen Umbau der Gesellschaft als „gesamtgesellschaftliches Projekt“ zu stärken. Für dieses Unterfangen brauche es positive Narrative, die in der Bevölkerung „Begeisterung dafür schaffen, beim Gelingen des Umbaus beteiligt zu sein.“ Aus Reiner Hoffmanns Sicht können Bürgerräte helfen, Zielkonflikte dieses Umbaus zu benennen und zu diskutieren. Er äußerte jedoch auch Vorbehalte gegenüber der Zufallsauswahl der beteiligten Bürger:innen sowie der Einbindung auf Bundesebene. Bei der Zufallsauswahl stelle sich die Frage, wer an diesen Formaten wirklich teilnehme, und die auf Bundesebene verhandelten Fragen seien gegebenenfalls zu weit entfernt von der unmittelbaren Lebensrealität der Menschen. Reiner Hoffmann betonte die Bedeutung von Mitbestimmungsmöglichkeiten vor allem am Arbeitsplatz sowie vor Ort in den Kommunen. Gleichzeitig sehe er den Bedarf insbesondere der jüngeren Generationennach anderen, kurzfristigeren Beteiligungsformaten.
Tanja Gönner (Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie und Mitglied im Rat für nachhaltige Entwicklung) betonte, dass wir uns nun in der Phase der Umsetzung der Klimaziele befänden: „Zielkonflikten in der Umsetzung kann man nicht entfliehen.“ Sie machte sich daher für mehr und deliberative Aushandlungsräume stark: Entscheidend solle die „Kraft der Argumente“ sein, es brauche ein „Interesse daran, die Realität des Gegenüber wahrzunehmen“ und eine „Bereitschaft zum Brückenbauen“. Tanja Gönner hob den Mehrwert der Beteiligung geloster Bürger:innen hervor und unterstützte die Empfehlung der Studie, auch die Verbändeanhörung deliberativer zu gestalten. Kompromissaushandlungen unter Verbänden würden stärkeren politischen Einfluss entfalten, „als wenn sich die Verbände streiten.“ Zuletzt betonte Tanja Gönner, dass Beteiligungsprozesse nicht mit dem Unterbreiten von Vorschlägen beendet seien, sondern dass auch eine Nachverfolgung und Begleitung bei der Umsetzung nötig seien.
Olaf Bandt (Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)) kontrastierte in seinem Beitrag die Unzulänglichkeiten der aktuellen Praxis der Verbändeanhörung mit seinen Erfahrungen aus (deliberativen) Kommissionen: Politische Entscheider:innen seien bei Stellungnahmen nicht wirklich offen, da ihr eigener Entscheidungskorridor beispielsweise durch Vorgaben aus den Koalitionsverhandlungen bereits sehr gering sei. Das führe zu Frustration bei den beteiligten Stakeholdern. Im Gegensatz dazu schildert er seine Erfahrung in Kommissionen:
„In Kommissionen gibt es immer wieder Momente, wo man denkt: ‚Der Andere könnte Recht haben‘ – obwohl das eigentlich der ‚politische Gegner‘ ist. Und dann kann eine Idee entstehen: ‚Dann lasst uns doch daraus etwas machen‘. Die Demokratie braucht mehr solcher Momente – egal ob in Stakeholder-Kommissionen oder Bürgerbeteiligung.“ (Olaf Bandt)
Bandt verwies in Bezug auf diese Erfahrungen auch darauf, dass manche (unbequemen) Vorschläge nur schwer von Interessengruppen oder Parteien eingebracht werden könnten, weil die politischen Kosten zu hoch seien und die Vorschläge als Zumutung empfunden würden. Solche Vorschläge müssten von Unbeteiligten kommen, um offen diskutiert und erwogen zu werden – beispielsweise durch die Wissenschaft oder auch durch Zufallsbürger:innen. Bandt verwies zudem auf die Chance, mit deliberativer Beteiligung „populistischen Narrativen etwas entgegenzusetzen“ und appellierte an die Verantwortung der Medien: „Deshalb müssen wir diese neuen Formen der Deliberation und Beteiligung ins Rampenlicht rücken – gerade auch in den öffentlich-rechtlichen Medien.“
Eine Fishbowl mit Praxisperspektiven aus Ministerien, Bundesbehörden und Bürgerräten
Abschließend öffnete Bruno Wipfler mit einem Fishbowl-Format die Debatte noch einmal für das versammelte Fachpublikum. Ministerialbeamte lobten den differenzierten Blick der Studie auf Beteiligungszeitpunkte, Akteure, (rechtliche) Machbarkeit und etwaige Hindernisse als „sehr gut brauchbar im politischen Kontext“ und „zugeschnitten auf die Herausforderungen, die wir in unserer täglichen Arbeit erleben“. Sie betonten insbesondere die Bedeutung der ressortübergreifenden Verantwortung, sowohl für Klimapolitik als auch die entsprechenden Beteiligungsprozesse, und befürworteten besonders die Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle für Beteiligung:
„Den Menschen leuchtet es nicht ein, wenn sie in einem Beteiligungsprozess zu nachhaltiger Ernährung nicht über das Tierwohl reden dürfen, wenn die Begründung dafür im Zuschnitt der Ressorts liegt. Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass sie Probleme als Gesamtpakete diskutieren können.“ (Ministerialbeamte:r)
Mehrere Gäste verwiesen auf die Bedeutung einer politischen Kultur der Offenheit gegenüber Partizipation und deren Ergebnissen und reflektierten über die Schwierigkeit, diese Kultur im politischen System zu verankern. Wie im vorangegangenen Podium verwiesen Teilnehmende auf einen „ungeschriebenen politischen Glaubenssatz: Alles, was weh tut, muss am Anfang der Legislatur umgesetzt werden. Da muss man liefern. Dann haben die Maßnahmen bis zur nächsten Wahl hoffentlich ihre positive Wirkung erreicht oder sind in Vergessenheit geraten.“ (Fishbowl-Teilnehmerin). Eine solche Haltung ‚Wir wissen, was wir machen müssen, und es muss jetzt schnell gehen‘ (Bandt) stehe einer politischen Beteiligungskultur entgegen und erschwere eine gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme für die Transformation.
Persönliche Erfahrungen mit Deliberation brachten zuletzt zwei ehemalige Teilnehmende des Bürgerrat Klima, Christiane Waschk und Hüseyin Karaalioglu, ein. Letzterer appellierte an die Politik, das Instrument der Bürgerräte unbedingt weiterzuführen: „Das Volk hat Ideen und die Politik hat uns gehört. Das war toll.“ Er hob besonders das Potenzial hervor, Menschen einander näher zu bringen. „Normalerweise mag ich nur 10% der Menschen, die ich kennenlerne. Aber alle, die mitgemacht haben, waren nett. Es hat sehr viel Spaß gemacht – nur die Vorschläge hätten noch weitreichender sein können.“ Christiane Waschk schilderte, wie die Teilnahme an einem Bürgerrat ihr Verständnis für Demokratie und Politik verändert und sie motiviert habe, sich selbst als Wahlhelferin aktiv für die Demokratie zu engagieren:
„Durch die Teilnahme an einem Bürgerrat merkt man, wie anstrengend es in der Politik ist, zu einer Entscheidung zu kommen. […] Die Teilnahme sensibilisiert dafür, dass man für die Demokratie etwas tun muss – über das Wählen alle vier Jahre hinaus. Deswegen habe ich mich nach dem Bürgerrat entschieden, Wahlhelferin zu werden.“ (Christiane Waschk)
Abschluss: Staatsmodernisierung und Klima-Sozialfonds als Anlässe zur Fortführung der Debatte und Überführung in die Praxis
Zum Abschluss rückte Simon Wehden die Diskussion nochmal in den tagesaktuellen Kontext, indem er zwei Entwicklungen hervorhob.
Zum einen verwies er auf die Ankündigung der Bundesregierung vom Vortag, ihren Plan zur Umsetzung des Klima-Sozialfonds erst Ende des Jahres einzureichen, „um sich mit Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzverbänden abzustimmen“. Gerade die Ausgestaltung dieser sozialen Flankierung der Klimapolitik sei nach Ansicht vieler interviewter Expert:innen ein sehr aussichtsreiches Anwendungsfeld deliberativer Bürgerbeteiligung und stehe beispielhaft für die Potenziale dieser Formate auf Bundesebene. Dies gelte insbesondere, da der Mehrheit der Bevölkerung die Auswirkungen des ETS2 beispielsweise auf die Heiz- und Benzinkosten unklar seien, und das Thema sozialen und politischen Zündstoff berge.
Zum Anderen biete sich mit der aktuellen Reformagenda zur Staatsmodernisierung und dem Aufbau eines neuen Bundesministeriums (BMDS) ein Gelegenheitsfenster, deliberative Beteiligung von Bürger:innen und Stakeholdern als ‚gute Regierungspraxis‘ institutionell zu verankern und beispielsweise die empfohlene zentrale Kompetenzstelle im BMDS einzurichten.
Simon Wehden ermutigte die Teilnehmenden, diese Entwicklungen als Anlass für weiterführende Gespräche zu sehen und Studienergebnisse in konkrete Handlungsschritte zu überführen.