Am vergangenen Freitag, den 18.02.2022 veröffentlichte die Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) der Bundesregierung ihr Jahresgutachten 2021 und überreicht dieses der Bundesregierung.

In ihrem Gutachten warnt die WPKS vor gesellschaftlichen Konflikten bei der Umsetzung ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen und schlägt zur Bearbeitung dieser Konflikte Bürger:innenräte als Methode der informellen Bürger:innenbeteiligung vor. Damit stimmt die WPKS den zentralen Kernaussagen von Klimamitbestimmung sowohl in Bezug auf die Problemanalyse als auch die Lösungsfindung zu.

Bürger:innenräte – mehr als nur informelle Beteiligung

Wir freuen uns sehr, dass ein solche hochrangiges Expert:innengremium unsere Forderung nach Bürger:innenräten in der deutschen Klimapolitik so prominent auf der politischen Bühne platziert und weiter argumentativ untermauert. Besonders freuen wir uns über die sehr positiv Aufnahme dieses konkreten Vorschlags seitens der Bundesregierung. So kommentiert Dr. Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), diese Idee mit: „Wir prüfen intern, inwieweit ein Bürgerrat zu einzelnen Themen einberufen werden kann“ (Quelle: Klimapolitik: Reden mit den Bürgern – Politik – SZ.de (sueddeutsche.de))

Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass deliberative Verfahren wie etwa Bürger:innenräte, primär auf eine bessere politische Entscheidungsfindung abzielen. Um dieses Potenzial für die Klima- und Nachhaltigkeitspolitik zu nutzen, gilt es, Bürger:innenräte und ähnliche Verfahren nicht bloß als „informelle Bürgerbeteiligung für eine begrenzte Zeit“, sondern als dauerhafte Ergänzung der repräsentativen Demokratie zu verstehen.

Bürger:innenräte können politische Konflikte auflösen

Genauer betont das Jahresgutachten , dass die „Umsetzung der Transformation zur Treibhausgasneutralität […] zu Konflikten […] führen“ könne. Beteiligungsverfahren, wie etwa Bürger:innenräte, könnten dabei „bis zu einem gewissen Grad verhindern, helfen oder einen Beitrag zu einer konstruktiven Konfliktbearbeitung leisten“. Diese Herausforderungen könnten wohl mit verschiedensten Verfahren der Bürgerinnenbeteiligung adressiert werden, wobei Bürger:innenräte als eine mögliche Form genannt werden.

Konkret heißt es dazu: „Auf nationaler Ebene und für häufig übergeordnete Fragestellungen bieten sich beispielsweise Bürgerräte mit nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern an, die für eine begrenzte Zeit gemeinsam und mit wissenschaftlicher Begleitung Empfehlungen für ein bestimmtes Politikfeld formulieren. Die Erfahrungen mit Bürgerräten in Frankreich oder Dänemark und jüngst dem Bürgerrat Klima in Deutschland haben gezeigt, dass die beteiligten Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, sich auf eine Vielzahl von Vorschlägen zu einigen, und auch dazu bereit wären, persönliche Einschnitte hinzunehmen (wobei zu berücksichtigen ist, dass die Teilnehmenden in ihrer Rolle häufig eine starke Gemeinwohlorientierung einnehmen).

Von ad-hoc Beratung zu sinnvoller politischer Einbettung

Wir unterstützen ausdrücklich die Diagnose des WPKS, dass Bürger:innenräten auf allen politischen Ebenen und gerade im Kontext gesellschaftlich konfliktiver Themen wie der Klimapolitik genutzt werden sollten. Ergänzend möchten wir darauf hinweisen, dass deliberative Gremien aus zufällig ausgelosten Bürger:innen ebenfalls als institutionalisierte, also als dauerhafte Ergänzung der repräsentativen Demokratie, gedacht werden sollten. Institutionen dieser Art gibt es bereits, wie z.B. in Ostbelgien, Paris, Toronto, Bogotá, Vorarlberg und wohl auch bald in Aachen. Wo Bürger:innenräte nur punktuell für eine begrenzte Zeit eingesetzt werden, bleiben sie oft reine Beratungsgremien, welche keinen Einfluss auf politische Entscheidungen haben und damit auch Enttäuschungen produzieren. Institutionalisierte deliberative Partizipation hingegen erleichtert es den Beteiligten die Umsetzung ihrer Empfehlungen auch über einen längeren Zeitpunkt zu verfolgen. Außerdem können nur so „demokratische Innovationen“ wie Bürger:innenräte langfristig zu Entscheidungsgremium auf Augenhöhe mit den bestehenden Institutionen der repräsentativen Demokratie werden. Dieser Schritt ist entscheidend, wenn es gelingen soll, mehr Gemeinwohlorientierung und Nachhaltigkeit in der politischen Entscheidungsfindung systematisch zu verankern.