Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) hat am Montag sein Prüfgutachten zu den deutschen Treibhausgasemission für 2022 gemäß des Klimaschutzgesetzes (KSG) veröffentlicht. Darin wird deutlich, dass Deutschland insbesondere dank Corona- und Energiekrise seine Klimaziele zwar erreicht, aber gleichzeitig bei der strukturellen Transformation weiter hinterherhinkt. Insbesondere die Sektoren Gebäude und Verkehr verfehlen ihre Zielvorgaben erneut deutlich:

„In den Sektoren Gebäude und Verkehr kommt somit der Mechanismus des BundesKlimaschutzGesetzes (§ 8 KSG) zum Tragen. Demgemäß legen die zuständigen Bundesministerien innerhalb von drei Monaten […] ein Sofortprogramm für die jeweiligen Sektoren vor.“ (ERK, Prüfbericht 2022)

Außerdem sehen die Expert:innen des ERK einige Punkte der geplanten Änderungen des Klimaschutzgesetzes sehr kritisch. So warnt der Rat ausdrücklich davor, die klaren Ressortverpflichtungen aufzuweichen. Diese beinhalten die jährliche Überprüfung der Sektorziele sowie die Verpflichtung zur Auflegung von Sofortprogrammen, sollten die Ziele verfehlt werden:

Der Wegfall dieser Verpflichtung würde […] die Gefahr des Verharrens in angestammten technologischen Pfaden erhöhen (beispielsweise in den Sektoren Verkehr und Gebäude) […]. Daher weist der Expertenrat dringlich auf die möglichen abträglichen Folgen einer Aufweichung des strengen Ressortprinzips in.“ (ERK, Prüfbericht 2022)

Der Jahresbericht des ERK zeigt erneut, dass der im Klimaschutzgesetz von 2020 angelegte sektorspezifische Budgetansatz in Kombination mit jährlichem Monitoring und nachsteuernden Sofortprogrammen der richtige Ansatz ist – zumindest auf dem Papier. In der politischen Realität tun sich einige Ressorts mit der Umsetzung schwer. Eine rationale Begründung dieser Verweigerung bleibt weitestgehend aus. Stattdessen deutete der Koalitionsausschuss am 29.3. an, die verbindliche Verpflichtung der Ressorts im KSG abschaffen zu wollen. Das ist nur schwer nachvollziehbar. Es drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass hier vor allem eines der wenigen effektiven Mittel der Klimabewegung – Klimaklagen gegen Regierungen und Ministerien die ihre Ziele nicht einhalten – ausmanövriert werden soll.

Wir sehen momentan keine politisch realistische Alternative zu verbindlichen Sektorbudgets, welche von den Ministerien mithilfe von jährlichen Prüfberichten und Sofortprogrammen eingehalten werden müssen. Klimamitbestimmung hält jegliche Abschwächung oder Verwässerung des KSG für unverantwortlich. Es droht eine neue Runde von Verfassungsklagen und entsprechenden Rügen der Regierung aus Karlsruhe. Dieses Spiel kann man ewig weitertreiben. Aber niemand, der am Erhalt unseres Lebensraums interessiert ist, kann das wollen.

Wenn es eine Änderung des KSG gibt, dann um die Umsetzung und Ausgestaltung von Klimapolitik durch Bürgerbeteiligung zu flankieren. So sollten etwa die jährlichen Prüfberichte durch sektorspezifische Bürger:innenräte der Ministerien ergänzt werden. Aufgabe der gelosten Bürger:innen wäre es, sowohl die jeweils notwendigen Sofortmaßnahmen als auch Empfehlungen für die Klimaziele bis 2045 auszuarbeiten. In einem solchen Rahmen kann inklusiv und rational über gesellschaftlich tragfähige Klimapolitik diskutiert und nachgesteuert werden. Das würde allen Beteiligten gut tun und uns eine Chance geben aus der jetzigen „Partei-Politik-Paralyse“ auszubrechen. Geloste Bürgerr:innen beraten abseits von Wahlzyklen, Sonderinteressen, Fraktionsdisziplin und reißerischer Berichterstattung. Was auch immer sie vorschlagen wäre sicherlich zielführender als Solarpaneele neben jeder neuen Autobahn.